Kommentar von Tobias Weber

RentenreformDer demographische Wandel in Deutschland wird die Arbeitswelt  in den nächsten Jahren drastisch verändern. Die medizinischen Fortschritte lassen die Lebenserwartung immer weiter steigen. An Krankheiten, wo vor zwanzig Jahren die Menschen innerhalb kürzester Zeit gestorben sind, gibt es heute Medikamente und Behandlungspläne, die die Lebenserwartung stark verlängert. Die Anzahl der Geburten ist trotz politischer Versuche wie Elterngeld und „familienfreundliche Unternehmen“ weiter auf einen niedrigen Stand. Insgesamt kommen immer mehr Rentner und Pensionäre auf eine berufstätige Person. Auch trägt das veränderte Familienbild, lange Single-Dasein zu einer schwachen Geburtenrate bei. Die Babyboomergeneration, also alle die, die zwischen 1950 und 1970 geboren wurden, kommen in den nächsten Jahren in das Renteneintrittsalter. Statitsisch gesehen macht die Babyboomergeneration momentan den größten Bevölkerungsanteil aus. Wenn die Generation komplett in Rente geht, werden die Rentenversicherungssysteme arge Probleme bekommen – kurz vor den Kollaps stehen. Eine politische Lösung ist momentan nicht in Sicht: Welche Partei oder welcher Politiker traut es sich unpopuläre Lösungen aufzuzeigen, wenn damit ein Großteil der Wähler vergrault werden könnte?

In Deutschland gibt es seit den 50er Jahren keine kapitalgedeckte Rente mehr. Somit sorgt kein Arbeitnehmer beim staatlichen Rentensystem für seine eigene Rente, sondern der sogenannte Generationenvertrag regelt, dass die arbeitende Generation die Rentner versorgt. Problematisch wird dies bei der oben beschreibenen demographischen Entwicklung. Ein steigener Anteil an Rentnern, bei gleichbleibendem oder sinkendem Anteil an arbeitender Bevölkerung sorgt für hohe Kosten im Sozialsystem.

Die auf den ersten Blick einfachste Lösung ist eine Erhöhung der Rentenbeiträge ggf. verbunden mit einer Senkung des Rentenbezugs. Dies hat zur Folge, dass die jüngere Generation einer stärkerern Belastung ausgesetzt wird. Wenn man von einem Generationenvertrag spricht, so muss man auch von einer Generationengerechtigkeit sprechen dürfen. Diese wäre dann eindeutig nicht mehr gegeben. Die zweite Variante, die momentan politisch diskutiert wird, ist das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Somit zahlt jeder länger in die Rentenkasse ein und empfängt, statitsich gesehen, durch die längere Lebensarbeitszeit, weniger lange Rente. Durch den späteren Renteneintritt wird die Produktionsleistung bei gleichbleibender finanzieller Belastung verlängert. Wird das Renteneintrittsalter zum Beispiel von 65 auf 67 angehoben so verzögert man den Kollaps des Rentensystems um einige Jahre, jedoch kann man hierbei nicht von einer echten Rentenreform sprechen.

Am Wahrscheinlichsten könnte eine Kombination der beiden Varianten sein. So wird die Produktivität erhöht und die finanzielle Situation durch höhere Rentenbeiträge sowie einer schrittweisen Absenkung des Rentenniveaus verbessert. Für das spätere Renteneintrittsalter spricht auch, dass die deutsche Wirtschaft in einigen Jahren starken Arbeitskraftmangel erleiden wird. Wenn immer weniger junge Menschen ins Berufsleben einsteigen und das Renteneintrittsalter starr bei 65 Jahren bleibt, so werden viele Stellen nicht mehr besetzt werden können. Somit dürfte mittelfristig der Faktor Arbeit höher vergütet werden. Damit steigen die Einnahmen in der Rentenkasse, wobei dies nicht das Defizit des Verhältnisses von arbeitender Bevölkerung zu Rentnern ausgleichen dürfte. Hinzu kommt, dass bei steigenden Löhnen auch die Inflation steigen dürfte. Die ausgezahlten Renten haben dann eine geringere Kaufkraft, was die Gefahr der Altersarmut steigen lässt.

Wenn man davon ausgeht, dass das Renteneintrittsalter erhöht wird, so muss die Wirtschaft die ältere Bevölkerung auch beschäftigen. Ansonsten wird an Stelle der Rentenversicherung die Arbeitslosenversicherung den Lebensunterhalt bestreiten müssen. Bei einem Arbeitskraftmangel ist denkbar, dass die Wirtschaft dieser Aufgabe nachkommt. Aber ist ein älterer Arbeitnehmer genau so produktiv wie ein jüngerer? Es wird immer die Erfahrung älterer Arbeitnehmer ins Gespräch gebracht. Nehmen wir weiter an, dass ein Unternehmen in der Zukunft 3/4 der Arbeitnehmer über 50 angestellt hat. Wird dann die Innovationskraft eines Landes nicht rapide fallen? Diverse Studien haben gezeigt, dass die Produktivität zwischen 30 und 50 Jahren am höchsten ist. Warum sollte die Wirtschaft also ältere Arbeitnehmer einstellen oder länger beschäftigen?  Hinzu kommt, dass viele Tätigkeiten in körperlich anstrengenden Berufen im Alter gar nicht mehr ausgeführt werden können. Wer dreißig Jahre lang auf den Knien sitzend Fliesen gelegt hat, von dem kann man kaum erwarten, dass er 25 Kilo schwere Säcke Fliesenkleber in den 4. Stock eines Mehrfamilienhauses trägt und dann ein Badezimmer fliest.

Wichtig wäre, dass die politischen Entscheidungsträger, allen voran Kanzlerin Dr. Angela Merkel, das Thema Rentenreform ganz oben auf die Agenda schreiben. Nur eine Ausweitung des Renteneintrittalters und eine Erhöhung der Rentenbeiträge sowie eine Senkung der Rentenbezüge reichen nicht aus und sind für die junge Generation unsozial. Die Kommunikation des Problems mit der Finanzierung der Renten sollte offen und ehrlich angesprochen werden, damit die breite Masse auch verständnisvoll eine Reform annimmt. Private Altersvorsorge muss stärker in den Vordergrund rücken und steuerlich wesentlich stärker berücksichtigt werden, als es heute der Fall ist. Auch die Überprüfung eine Mischvariante aus kapitalgedeckter und umlagefinanzierter staatlicher Rente  muss auf die Agenda geschrieben werden. Die damaligen Argumente gegen die kapitalgedeckte Rente sind heute nicht mehr aktuell.

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